Bundesgerichtshof erlaubt Verbot des Accountverkaufs


Bereits Anfang Februar hat der Bundesgerichthof ein Urteil (Urt. v. 11.02.2010, Az. I ZR 178/08 – Half-Life 2 Entscheidung) gefällt, das weit reichende Konsequenzen für uns Videospieler hat. Worum geht es? Der Bundesverband der Verbraucherzentralen klagte gegen eine von Valve benutzte Klausel in den Steam AGB. Warum uns Spieler das betrifft und welche Auswirkungen das Urteil auf den Videospielmarkt hat, erfahrt ihr nach einem Klick auf „Read the rest of this entry“.
Übrigens: Es handelt sich zwar um eine Urteilsbesprechung, diese kommt aber fast ohne Paragrafen aus und ist auch für Laien verständlich geschrieben worden. Also keine Angst vor Juristendeutsch 😉

Dass der Markt der gebrauchten Videospiele den Publishern ein Dorn im Auge ist, sieht man in letzter Zeit immer häufiger. EA führt einen Online-Pass ein und Activision setzt verstärkt auf (teure) herunterladbare Inhalte.
Vorreiter dieser Systeme aber war die Firma Valve mit Half-Life 2. Half Life 2 war in mehrfacher Hinsicht revolutionär, es setzte nicht nur spielerisch neue Maßstäbe, sondern kam auch mit einer völlig neuen Installationsroutine. CD-Keys waren bis dahin der Versuch, Schwarzkopierer daran zu hindern, ihr heruntergeladenes Spiel online zu spielen.
Damit man Half Life 2 aber spielen konnte, bedurfte es nicht nur eines gültigen CD-Keys, sondern auch einen Steam-Account. Das Spiel musste nach der Installation über den Steam-Account online aktiviert werden, damit man es spielen konnte. Dieser Schritt ließ 2004 viele Spieler auf die Barrikaden gehen. Nicht wenige waren empört, weil es ihnen so unmöglich gemacht wurde ihr (gekauftes) Spiel auf Computern zu spielen, die keinen Internetanschluss hatten; waren DSL und Router zu der Zeit doch noch lange nicht so verbreitet wie heute.
Valve war also die Firma, die hinsichtlich Online-Aktivierungen und Accountgebundener Spiele den ersten Schritt machte.
Was hat das nun alles mit dem Markt der gebrauchten Videospiele zu tun? Vieles. Der dem Spiel beiliegende CD-Key konnte nur einmal benutzt werden. Ein Zweitkäufer, der von diesem Umstand nichts wusste, hatte nach dem Kauf also nur eine wertlose DVD in der Hand, weil sich der Inhalt nicht installieren ließ. Gänzlich unmöglich machte Valve den Weiterverkauf des eigenen Accounts. In den damals gültigen AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen) hieß es

„Es ist Ihnen untersagt, Ihr Benutzerkonto zu verkaufen, für dessen Nutzung Geld zu verlangen oder es anderweitig weiterzugeben.“ (Nummer 1 Abs. 6 SSA)

Gegen diese Klausel ging der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) vor und verlangte von Valve, dass sie die Klausel nicht mehr benutzen. Angefangen hat der Rechtsstreit vor dem berüchtigten Landgericht Hamburg, ging dann an das Oberlandesgericht Hamburg und schlussendlich auch vor den Bundesgerichtshof, der höchsten und letzten Revisions- und Berufungsinstanz.
Zunächst einmal: Wie kann der Bundesverband das Verlangen? Im konkreten Fall geht es zum Einen um eine urheberrechtliche Streitigkeit und zum Anderen um die Prüfung, ob die von Valve verwendeten Klauseln als AGB benutzt werden dürfen. Denn: Unternehmer können ihre AGB nicht allein nach ihren Vorlieben benutzen, sondern müssen sich bei der Gestaltung an die Regeln der §§305-310 BGB halten.
Kommen wir zuerst zu der urheberrechtlichen Komponente. Im Urheberrecht gibt es einen sog. „Erschöpfungsgrundsatz“. Das bedeutet, dass ein Urheber den Verkauf seiner Werke nicht mehr einschränken kann, sobald er das Werk in den Verkehr gebracht hat. Darum ist es möglich, dass wir bereits gelesene Bücher, bereits gehörte CDs, bereits gesehene DVDs auch wieder verkaufen können. Tritt also Erschöpfung ein, sobald Valve das Spiel in den Handel gebracht hat, könnten sie den Weiterverkauf nicht mehr verbieten.
Nach Ansicht des vzbv verstieß die von Valve benutzte Klausel gegen diesen Erschöpfungsgrundsatz, da ein Weiterverkauf der DVD nach Aktivierung durch den Erstkäufer vollkommen sinnlos sei, da der Zweitkäufer überhaupt nichts damit anfangen könne. Die Klausel dürfe daher nicht als Teil der AGB (= die Steam SSA) verwendet werden.
Hinsichtlich der AGB gibt es mehrere Möglichkeiten, dass bestimmte Klauseln unwirksam sein können. Im konkreten Fall war der vzbv der Ansicht, dass die Regelung von Valve zum einen die Erreichung des Vertragszwecks gefährde und zum anderen Intransparent sei, da sie nicht klar und deutlich formuliert sei. Sollte die von Valve verwendete Klausel also gegen die Normen in §§305-310 BGB verstoßen, wird sie gem. §306 I BGB nicht Teil des Vertrags und ist damit unwirksam. Der BGH teilte diese Ansicht des vzbv nicht und wies die Klage komplett ab. Valve darf damit weiterhin den Verkauf der Steam-Accounts verbieten.
Nach Ansicht des BGH verstößt die Klausel nicht gegen den Erschöpfungsgrundsatz und begründet das damit, dass die Erschöpfung im konkreten Fall überhaupt nicht eintritt, bzw. vom Account unterschieden werden muss. Die DVD selber sei ja schließlich problemlos veräußerbar und dies werde von Valve auch nicht verboten. Verboten wird lediglich, dass der eingerichtete Account verkauft wird. Dass die DVD damit praktisch wertlos wird, ist nach Ansicht des BGH egal, da der Urheber frei entscheiden kann, wie der Zugriff auf sein Werk stattfinde.
Urheberrechtlich sei es unbedenklich, wenn der Urheber sein Werk so gestaltet, dass das Werk nur auf vom Urheber bestimmte Art und Weise benutzt wird. Der Erschöpfungsgrundsatz soll dagegen nur sicherstellen, dass es einen freien Warenverkehr gibt.Auch die AGB seien nicht zu beanstanden. Eine Intransparenz liege nicht vor, denn

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„Die Klausel bringt klar und verständlich zum Ausdruck, dass das einmal eröffnete Konto nur zum Betrieb durch den Erstanmelder zugelassen und jede Weitergabe des Kontos untersagt ist.“

Das mag so zwar zutreffen, aber dafür muss der Betroffene diese Klausel überhaupt erst einmal wahrgenommen haben. Druckt man sich den Steam-Nutzungsvertrag einmal aus, hat man zwölf DIN A4 Seiten vor sich liegen, die teilweise noch in einem unverständlichen Deutsch geschrieben sind. Geht es um AGB klicken 99% aller Benutzer auf „Weiter“, ohne auch nur ein Wort gelesen zu haben. Außerdem wirkt es sehr befremdlich, dass man etwas nicht verkaufen kann, was man selber gekauft hat.
Hinsichtlich der Gefährdung des Vertragszwecks führt das Gericht aus, dass dies nicht zutrifft. Der Vertragszweck besteht darin, dass dem Spieler Zugang zu den eigenen Servern ermöglicht wird (Also die Verbindung zu Steam, um darüber spielen zu können). Dieser Vertragszweck wird erreicht und durch die Verwendung der beanstandeten Klausel nicht tangiert. Dass Dritten der Zugang zu den Servern bei einem Verkauf nicht ermöglicht wird, ist für den Vertragszweck irrelevant, denn dieser gelte nur zwischen Valve und dem Erstkäufer.
Was bedeutet das?
Das Urteil sieht auf den ersten Blick relativ harmlos aus, hat jedoch eine enorme Bedeutung und Reichweite. Der BGH hat mit diesem Urteil im Prinzip das geschafft, wogegen die Publisher langsam anfangen zu kämpfen: Die Eliminierung des Marktes mit gebrauchten Spielen.
Als Valve die Accountpflicht mit der Veröffentlichung von Half-Life 2 einführte, war sie – wie oben bereits erwähnt – noch sehr neu. Heute dagegen, sechs Jahre später, ist es gang und gäbe, dass Spiele an einen Account gebunden sind. Neben Steam gibt es Accountsysteme bei EA, UbiSoft und Microsoft (Windows Live).
Schritt für Schritt können die Publisher in ihren AGB nun die Klausel aufnehmen, dass der Verkauf des eigenen Accounts verboten sei und das gekaufte Spiel gleichzeitig mit einem Key ausstatten, der nur einmalig aktiviert werden kann. Den physischen Datenträger kann man dann zwar verkaufen, im Prinzip ist er nach der Aktivierung aber wertlos, weil die darauf enthaltenen Daten nicht ohne weiteres benutzt werden können.
Es ist aber noch nicht alles verloren. Die AGB von Valve kann man erst lesen, nachdem man das Spiel praktisch installiert hat und gerade dabei ist, seinen Account einzurichten. Grundsätzlich muss aber vor dem Kauf über die AGB informiert werden, so dass die AGB von Valve insgesamt nicht gültig sein könnten. Da das aber nicht Gegenstand des Verfahrens war, durfte der BGH dies auch nicht überprüfen und hat es dementsprechend auch offen gelassen, bzw. klar gestellt, dass diese Frage nicht Gegenstand des Verfahrens war.
Um diese Frage zu klären müsste der vzbv (oder jemand anderes) ein neues Verfahren anstrengen. Ob diese Klage allerdings erfolgreich verliefe darf heute angezweifelt werden. Als der vzbv vor Gericht zog, gab es auf der DVD-Hülle lediglich einen kleinen Hinweis, dass für die Installation eine Internetverbindung erforderlich sei. Heute dagegen, findet sich ein expliziter Hinweis auf die Steam AGB und das man diese vor der Installation lesen sollte.